Posts

Es werden Posts vom April, 2021 angezeigt.

Über angeborene Sichtweisen oder die Schwierigkeit, frei von Dogmen zu sein

  Ein Standardargument, das ständig in der Diskussion zwischen religiös Gläubigen und Nicht-Gläubigen auftaucht ist die Behauptung, alle Menschen kämen als Atheistinnen oder Atheisten zur Welt. Ich betrachte das als eine irreführende These und möchte von einem nicht-religiösen Standpunkt dagegen argumentieren. 1) Zum einen scheint mir hier ein falscher Gebrauch der Logik vorzuliegen: Richtig ist sicherlich, dass wir als Kinder erst einmal keine Vorstellung von dem Gott der monotheistischen Religionen haben, ja, dass uns der Begriff „Gott“ fehlt. Wir haben auch nicht die Idee eines Schöpfers. Die Welt ist einfach da und woher sie kommt das fragen wir uns frühestens, nachdem wir schon ein paar Jahre in ihr verbracht haben. Wir kommen also nicht als Theisten zur Welt, und da Atheismus ja nur die Verneinung des Theismus ist, drängt sich die Vermutung auf, unsere ursprüngliche Sichtweise sei der Atheismus. Entweder wir glauben an Gott oder nicht. Die formale Logik lehrt

Die Eigendynamik des kreativen Prozesses

Bild
  Sehr viele Menschen glauben, sie müssten sich bekennen: zu einer bestimmten Religion oder zum Atheismus. Mir fällt es zunehmend schwer, das nachzuvollziehen, und ich möchte erklären, warum. Vermutlich bin ich in den Augen der meisten Gläubigen ein Atheist, denn ich glaube weder an die Dogmen irgendeiner Religion, noch halte ich irgendeine Schrift für das Wort Gottes. Jedoch erscheint mir auch der Atheismus als ein zu enges Korsett für mein Denken. Auch wenn ich keiner Religion angehöre, einige meiner Erfahrungen passen besser zu einer religiösen Haltung. Ich betrachte das Ganze von meiner Perspektive als Künstler aus. Am besten gelingt mir meine Kunst, je absichtsloser ich an die Sache herangehe, je mehr ich Planung und Kontrolle aufgebe und der spontanen Eingebung vertraue. Die Ergebnisse übertreffen oft bei Weitem das, was ich mit hätte ausdenken können. Kreativ zu sein, heißt für mich, zuzulassen, dass sich etwas ausdrückt, das meine eigene Intelligenz übers

Das Ich, das Selbst, die Welt und der liebe Gott

  Gerade habe ich eine Diskussion in einer Facebook-Gruppe verfolgt, in der jemand Ideale und Moral ablehnt und das Ich zum ausschließlichen Maßstab des Handelns erklärt. Die Ablehnung von Idealen und Moral kann ich gut nachvollziehen. Auch ich kann mit diesen Dingen wenig anfangen. Ich denke aber, dass die Orientierung am Ich und am eigenen Willen nichts anderes als ein Ideal ist – und ein gefährliches obendrein. Was „Ich“ will ist zum großen Teil eine Folge von Konditionierung. Ichs neigen dazu, zu denken, es sei ihr Wille, dass die Hamsterräder, in die sie irgendwann einmal geraten sind, sich immer weiter drehen. Deshalb leben die meisten Menschen weit unter ihren Möglichkeiten, auch – oder gerade – in einer individualistischen Gesellschaft. Um es paradox zu formulieren: Ich bin weit mehr als Ich. Deshalb unterscheiden manche Psychologen zwischen dem Ich und dem Selbst; und Mystiker sprechen von dem göttlichen Funken in uns, den es zu entfachen gilt – indem

Die Bedeutung des Animismus für unser Überleben

Bild
Viele religiöse Menschen halten Religiosität für ein angeborenes menschliches Bedürfnis. Viele Atheisten hingegen sehen in religiösem Glauben eine Folge jahrhundertelanger Indoktrination und betrachten die Freiheit von Glaubenssätzen als den ursprünglichen Zustand, sozusagen den Default-Modus menschlichen Bewusstseins. Dafür spricht z.B. dass wir noch nichts von irgendwelchen Dogmen wissen, wenn wir auf die Welt kommen. Sind wir also in unserer frühsten Lebensphase Atheisten? Wenn man von der ursprünglichen Wortbedeutung ausgeht, ist das sicherlich so. Die Vorstellung eines Gottes entwickelt sich erst nach mehreren Lebensjahren und selten ohne Beeinflussung von außen. Wenn man den Begriff Atheismus aber weiter fasst und darunter die Ablehnung des Glaubens an übersinnliche Phänomene versteht, dann sind wir sicher keine geborenen Atheisten. Ich möchte hier die These aufstellen, dass unser Default-Modus vielmehr der Animismus ist und dass wir uns ers