Die Eigendynamik des kreativen Prozesses

 

Sehr viele Menschen glauben, sie müssten sich bekennen: zu einer bestimmten Religion oder zum Atheismus. Mir fällt es zunehmend schwer, das nachzuvollziehen, und ich möchte erklären, warum.

Vermutlich bin ich in den Augen der meisten Gläubigen ein Atheist, denn ich glaube weder an die Dogmen irgendeiner Religion, noch halte ich irgendeine Schrift für das Wort Gottes. Jedoch erscheint mir auch der Atheismus als ein zu enges Korsett für mein Denken. Auch wenn ich keiner Religion angehöre, einige meiner Erfahrungen passen besser zu einer religiösen Haltung.

Ich betrachte das Ganze von meiner Perspektive als Künstler aus. Am besten gelingt mir meine Kunst, je absichtsloser ich an die Sache herangehe, je mehr ich Planung und Kontrolle aufgebe und der spontanen Eingebung vertraue. Die Ergebnisse übertreffen oft bei Weitem das, was ich mit hätte ausdenken können. Kreativ zu sein, heißt für mich, zuzulassen, dass sich etwas ausdrückt, das meine eigene Intelligenz übersteigt. Ich vertraue mich sozusagen der Führung durch eine höhere Macht an. Das ist natürlich kein Beweis für die Existenz höherer Mächte. Ich weiß nicht, woher das kommt und empfände es als unredlich, das als Beleg für die Richtigkeit einer bestimmten Religion zu betrachten. Aber ich weiß von vielen Kunstschaffenden, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben und halte meine eigenen deshalb nicht für bloßen Zufall.

Das mag erst einmal nebulös klingen. Um nachvollziehbar zu machen was ich meine, habe ich hier ein kleines Video verlinkt, Es zeigt, wie ein abstraktes Bild, das ich vor Jahrzehnten gemalt habe, der Beginn einer wundersamen Entwicklung war, die ich selber so sah, wie Zugreisende, die mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzen, die Landschaft sehen, die sie durchqueren. Ich hatte keine Ahnung, was als nächstes kommen würde, aber im Nachhinein erschien alles völlig stimmig und geradlinig.

Das hat mein einstmals atheistisches Weltbild durcheinander gerüttelt. Heute sehe ich die Dinge differenzierter. Mein Glaube und mein Unglaube sind situativ. Wenn ich mich mit Wissenschaft beschäftige, bin ich immer noch Atheist, wenn ich philosophiere Agnostiker, aber als Künstler bin ich tief religiös. Das erscheint mir als die jeweils angemessene Haltung zu sein.



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