Wider den Bekenntniszwang
Eine Anekdote über den Physiker und Nobelpreisträger Niels Bohr berichtet von einem Hufeisen, das über seiner Tür hing. Ein Kollege sprach ihn darauf an. Ob er denn tatsächlich an so etwas glaube? „Nein, natürlich nicht“, soll Bohr geantwortet haben, „aber man hat mir versichert, dass es auch wirkt, wenn man nicht daran glaubt." Ich las diese Anekdote in der Zeit, als ich an einer chinesischen Universität unterrichtete. Viele der Studierenden sahen sich selbst, ganz im Sinne der kommunistischen Erziehung, die sie erfahren hatten, als Atheisten. Das hinderte manche von ihnen nicht daran, vor einer wichtigen Prüfung in den Tempel zu gehen und Räucherstäbchen abzubrennen. So wurde mir klar, dass nicht nur ich solche Widersprüche kenne. Egal für oder gegen welchen Glauben ich mich bewusst entscheide, in meinem Unbewussten wirkt auch das weiter, gegen das ich mich entschieden habe. Ich stamme aus einer katholischen Familie und war als Kind sehr fromm. Als Jugendlicher verwande