Rezension: Julian Baggini. How the World Thinks

Gerade habe ich ein sehr interessantes Buch zu Ende gelesen. Es ist von dem englischen Philosophen Julian Baggini und trägt den Titel "How the World Thinks". Leider gibt es davon noch keine deutsche Übersetzung, was mich sehr erstaunt, denn in Großbritannien ist es ein Bestseller.

Baggini geht es in seinem Buch um eine globale Geschichte der Philosophie. Dabei stellt er Konzepte und Vorstellungen aus verschiedenen Denktraditionen nebeneinander: indische, ostasiatische, westliche, muslimische, aber auch mündlich überlieferte der australischen Aborigines oder aus Afrika. Er zeigt, wie die unterschiedlichen philosophischen Ansätze in den jeweiligen Teilen der Welt zu unterschiedlichen Perspektiven auf die Dinge geführt haben und wie sie ihren Niederschlag im Verhalten der Menschen gefunden haben, auch derer, die sich der philosophischen Hintergründe ihrer Alltagsüberzeugungen nicht bewusst sind.

Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Frage, nach welchen Gesichtspunkten Menschen Dinge für wahr halten. Wie weit können wir uns dabei auf die Sprache verlassen? Was sind die Möglichkeiten und die Grenzen von Logik und Rationalität? Welche Bedeutung kommt der Intuition zu? Spielt die Autorität von Überlieferungen für unser Denken eine Rolle? Oder die Autorität von Lehrern? Und wie weit trägt der pragmatische Ansatz, das für wahr zu halten, was sich in der Praxis bewährt hat? Baggini geht davon aus, dass sich diese Fragen nicht einfach der einen oder anderen Kultur zuordnen lassen, dass aber ihre Gewichtung sehr unterschiedlich ist.

Der zweite Teil dreht sich um das generelle Weltverständnis. Wie vergeht Zeit? Als linearer Fortschritt? Oder in Zyklen? Wie bestimmt unser Handeln unsere Zukunft? Was ist Leere? Sind wir Teil der Natur oder stehen wir ihr gegenüber? Was bedeutet Einheit? Können wir das Ganze aus seinen Bestandteilen verstehen? Was kann die Wissenschaft erklären und wo sind wir auf andere Denkformen angewiesen um uns in der Welt zurechtzufinden?

Im dritten Teil geht es dann um die Frage, wer wir sind. Gibt es überhaupt so etwas wie ein Selbst, und wenn ja, ist es bestimmt durch seine Beziehung zu seiner Mitwelt oder sind wir abgegrenzte, atomisierte Individuen?

Der vierte Teil schließlich behandelt unterschiedliche Konzepte der Lebensführung. Woran können wir uns halten? An abstrakte Regeln oder an moralische Vorbilder? Welche Werte sind wichtig für das Leben und Zusammenleben der Menschen? Welchen Stellenwert haben Freiheit, Tugend, Harmonie oder das Streben nach allgemeinem Nutzen?

So spannend diese einzelnen Fragen auch sind, Baggini geht es nicht darum, eindeutige Antworten zu liefern. Vielmehr versucht er offenzulegen, welches Gewicht diesen Fragen in den unterschiedlichen Denktraditionen zukommt, welche Möglichkeiten die jeweiligen Antworten eröffnen und wo sie zu Problemen führen können. Dabei geht es nicht um generelle Wertungen, um richtig oder falsch. Vielmehr ist das Buch ein Plädoyer für mehr Offenheit, für ein gegenseitiges Voneinander-lernen ohne dabei die eigenen Wurzeln zu verleugnen. Es ist eine Anstiftung, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen.

Ein wunderbares Buch, das ich mit großem Vergnügen gelesen habe.

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